Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Abteilung für Vergleichende und Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie untersuchen, wie Menschenaffen ihre Umwelt wahrnehmen und verstehen. In fünfzehn Jahren Forschung gelangte das Team um Prof. Dr. Michael Tomasello zu vielen neuen und wichtigen Erkenntnissen über die kognitiven Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten:

So konnten die Forscher und Forscherinnen zeigen, dass Schimpansen nicht nur wissen, was Artgenossen sehen, sondern dass sie dieses Wissen nutzen, um mögliche Futterkonkurrenten zu manipulieren: Sie nähern sich dem Futter lieber im Verborgenen, wenn sie wissen, dass ihr Mitaffe die Banane nicht sehen kann. Schimpansen wissen, was ihre Artgenossen beobachten können, welche Schlüsse sie daraus ziehen werden und welche Ziele sie verfolgen. Menschenaffen kennen auch ihren eigenen Geist recht gut – sie wissen, dass sie sich manchmal irren. Und sie haben ein gutes Gedächtnis. Selbst Jahre später erinnern sie sich daran, welches Futter oder Werkzeug wann und wo versteckt wurde.

In einer andere Studie wurde untersucht, wie und ob Gorillas voneinander lernen: Die Tiere fressen in freier Wildbahn Nesseln und verwenden dafür eine recht komplizierte Technik. Gorillas, die nie zuvor eine Nessel gesehen hatten, entdeckten diese Technik unabhängig von ihren Artgenossen. Auch einige Formen des Werkzeuggebrauchs entwickeln Menschenaffen ohne Anleitung: Orang-Utans begannen, Wasser aus ihrer Tränke in eine Röhre zu spucken, um die auf ihrem Boden liegende Erdnuss zum Aufsteigen zu bewegen. Orang-Utan-Mütter nutzen ihre Kinder zuweilen als soziales Werkzeug: Können nur die Kleinen einen Apparat bedienen, der beiden Futter liefert, überlassen die Mütter ihren Jungtieren das dafür passende Werkzeug und ermutigen sie dazu, das Futter zu ergattern.

Menschen sind außerordentlich kooperativ und helfen einander. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Institutes konnten erstmalig zeigen, dass auch Schimpansen helfen. Zudem verstehen Schimpansen bei Aufgaben, die Zusammenarbeit erfordern, die Rolle des Partners: Sie können zwischen Mitaffen unterscheiden, die gut oder weniger gut zusammenarbeiten und wählen ihren Partner entsprechend. Von zwei Forschern bevorzugen sie bei späteren Interaktionen denjenigen, der ihnen oder einem ihrer Artgenossen vorher Futter gab – der gute Ruf spielt beim Auswählen des Kooperationspartners offenbar auch eine Rolle.

Die Forscher versuchten zudem herauszufinden, ob Menschenaffen planen können: Sowohl Bonobos als auch Orang-Utans wählten das zur Aufgabe passende Werkzeug und bewahrten es auf, um es später zu verwenden. In einer zweiten Studie erkannten Schimpansen im Voraus, mit welchen Schritten sich ein Labyrinth durchqueren ließ.

Viele der menschlichen kognitiven Fähigkeiten finden wir auch bei unseren nächsten Verwandten, den großen Menschenaffen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Mensch, Bonobo, Schimpanse, Orang-Utan und Gorilla diese Fähigkeiten von ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren übernahmen.