Wegweisende Entscheidungen, die in die Gegenwart hineinwirken
Zum 100. Geburtstag von Siegfried Seifert

Von Jörg Junhold und Maria Saegebarth

Es war im Jahre 1922, als Siegfried Seifert in Rodewisch das Licht der Welt erblickte. Seine Kindheit, Jugend und das frühe Erwachsenenalter waren gezeichnet durch die Nachwehen des 1. Weltkrieges und dem 2. Weltkrieg. Doch schon früh wusste der junge Seifert, dass er sich in den Dienst der Gesellschaft und für die Gesellschaft stellte, so dass er sich zum Lehrer ausbilden ließ. Wissen und Werte vermitteln, Interesse wecken und andere begeistern – das gehörte zu den selbstdefinierten Aufgaben von Siegfried Seifert. Und so wundert es nicht, dass er die Anfrage der Stadt Leipzig entsprach und am 1. September 1964 zum Zoodirektor in Leipzig berufen wurde, um für die naturwissenschaftliche Bildung und die Vermittlung der Liebe zum und das Wissen über Tiere einzutreten. Zahlreiche intensive Erfahrungen in dem Amt hatte er zuvor bereits in Rostock gesammelt, wo er zehn Jahre lang den Zoologischen Garten geleitet hatte.

20 Jahre waren seit dem 2. Weltkrieg bereits vergangen, doch die Spuren innerhalb des Leipziger Zoos waren noch deutlich sichtbar. Seiferts Aufgabe war es fortan, die Einrichtung weiterzuentwickeln und den Zoo wieder zu einem anerkannten Ort der Erholung, Bildung, Wissenschaft und des Naturschutzes zu machen. Der geneigte Zookenner weiß, dass sich diese Zielstellungen später in der Welt-Naturschutzstrategie des Weltverbandes der Zoologischen Gärten und Aquarien (WAZA) wiederfanden, den Prof. Seifert von 1991 - 1993 als Präsident führte. Zur Realisierung bedurfte es aufgrund des Zustandes des Zoos jedoch weitreichende Baumaßnahmen und Investitionen.

Am 17. März 1966 bestätigte der Rat der Stadt einen Entwurf Seiferts, der die Erweiterung des Zoogeländes, Modernisierung von Altbausubstanz und zahlreichen Neubauten enthielt.

Die beiden Raubtierhäuser und das Tieraffenhaus wurden ebenso überarbeitet wie die Bärenburg und das Elefantenhaus. Neu erbaut wurden in den Folgejahren das Vogelhaus (1969), die Huftierfreianlage am Rosental (1977) und ein Menschenaffenhaus (1982). Auch das 1910 errichtete Aquarium erfuhr unter der Leitung von Prof. Seifert eine Rekonstruktion und Erweiterung (1986). Das heutige Ringaquarium (1992) stammt in seiner ursprünglichen Fassung aus seiner Schaffensperiode.

Auch zoologisch erfuhr der Zoo eine Neuausrichtung. Prof. Seifert legte großen Wert auf die Haltung von Tierarten, die vom Aussterben bedroht waren. Auch verlagerte er den Schwerpunkt bei der Erhaltungszucht von den Löwen („Leipziger Löwenfabrik“) auf den stark vom Aussterben bedrohten Tiger – seinen Lieblingstieren. So kam es folgerichtig neben dem Bau der Tigerfarm für intensive Zuchtbemühungen auch zur Gründung des Internationalen Tigerzuchtbuches in Leipzig, das Prof. Seifert gemeinsam mit dem späteren Direktor Peter Müller 1973 aus der Taufe hob. Zahlreiche internationale Tagungen betonen die intensive Einflechtung Seiferts in internationale Gremien und die internationale Bedeutung seiner wissenschaftlichen Arbeit. Auch die Zusammenarbeit mit der damals noch Karl-Marx-Universität Leipzig heißenden Hochschule wurde durch Unterzeichnung eines Rahmenvertrages intensiviert und hat heute noch Bestand. Die wissenschaftliche Arbeit war Prof. Seifert nicht nur im universitären Rahmen wichtig, sondern auch auf schulischer Ebene und in der Berufsausbildung.

So fungierte Siegfried Seifert viele Jahre als Vorsitzender bei den Facharbeiterprüfungen für Zootierpfleger, die seit den 50er Jahren damals wie heute zwei Mal jährlich in Leipzig stattfanden und -finden.

Auch die Gründung der Zooschule am 1. September 1969 gehört zu den bis heute nachwirkenden Leistungen von Prof. Seifert, der damit den Grundstein für den Biologie- und heute fachübergreifenden Schulunterricht im Zoo legte. Mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler besuchten damals wie heute jedes Schuljahr diesen spannenden und naturnahen Unterricht.

Prof. Seifert verstand es in seiner Amtszeit auch, den Zoologischen Garten Leipzig nachhaltig im gesellschaftlichen Leben zu implementieren und das Zoogeschehen auch für die Nachwelt zu bewahren. Der 1965 gegründete „Freundeskreis Leipziger Zoo“ hatte zur Aufgabe, die Öffentlichkeit bei Vorträgen, Führungen und Exkursionen zu informieren und verschiedenste Möglichkeiten zu bieten, sich aktiv über den Zoo zu bilden und in die Entwicklung einzubringen. Die erfolgreiche Arbeit des Freundeskreises zeigte sich nicht zuletzt im Anwachsen der Mitgliederzahl auf 300. Das Fundament dieser Institution wurde in den folgenden Jahrzehnten weiter genutzt und ausgebaut. Der daraus hervorgegangen „Freundes- und Förderverein des Zoo Leipzig“ ist heute noch mehr als aktiv und mit seinen Vereinsmitgliedern und Tierpaten ein wichtiger Partner des Zoo Leipzig.

Ab dem Jahr 1970 veröffentlichte der Zoo alljährlich unter dem Namen Panthera, ebenso wie der Jahresbericht heute noch heißt, eine Rückschau auf das zurückliegende Jahr. Mit der ersten Veröffentlichung endete eine Durststrecke von etwa zehn Jahren, in der keine Jahresberichte erschienen waren und der kompakte Überblick somit fehlt.

Diese Ausführungen machen deutlich, dass zahlreiche Jubiläen, die in den vergangenen Jahren im Zoo Leipzig gefeiert wurden und in den kommenden Jahren gefeiert werden, ohne das Schaffen und Wirken von Prof. Siegfried Seifert nicht möglich gewesen wären. Das 50. Jubiläum der Zooschule, die seit Jahren von Dr. Axel Kästner erfolgreich geleitet und inspiriert wird, der 50. Geburtstag des Freundes- und Fördervereins der heute unter der Leitung von Präsident Michael Weichert mehr als 1.700 Mitglieder umfasst, der 50. Geburtstag des Tigerzuchtbuches im nächsten Jahr – um nur drei zu nennen.

Auch die Gestaltung des Zoogeländes weist heute noch Merkmale und Vermächtnisse des einstigen Zoodirektors auf. Vieles davon ist inzwischen erneut entsprechend aktueller Erkenntnisse in der Zootierhaltung und Bedürfnissen von Zoobesuchern weiterentwickelt worden. Aber die Kiwara-Savanne am Rosental, der Bärenburg-Spielplatz im Herzen des Zoos und das im Jahr 2022 modernisiert und umgebaut wiedereröffnete Aquarium zeugen von den Ideen oder dem Erhalt von historischen Anlagen in Seiferts Amtszeit.

Am 21. September 2022 wäre Prof. Siegfried Seifert 100 Jahre alt geworden. Eine lange und schwere Krankheit führte im Jahr 1998 zu seinem Tod. Sein Wirken als fünfter Zoodirektor von 1964 bis 1993 im Zoologischen Garten Leipzig wirkt jedoch bis in den Zoo der Zukunft hinein. Wir ehren und schätzen dieses Vermächtnis!